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Nur wenn ein Kind die Erfahrung machen darf, etwas ohne Hilfe zu schaffen, lernt es auch, selbständig zu werden.

„Komm her, ich heb dich auf!“

Immer wieder begegnen mir im Alltag Kinder, die sich selbst wenig bis gar nichts zutrauen. Sie wissen einfach nicht, was sie alles könnten, wenn sie es nur einmal versuchen würden! Alleine wieder aufstehen zum Beispiel, wenn sie hingefallen sind, oder etwas wieder aufheben, wenn es runtergefallen ist.

„Komm her, ich heb dich auf!“ hat meine Oma immer zu meiner kleinen Tochter gesagt, wenn diese hingefallen war. Und das hat wirklich funktioniert. Das Mädel ist aufgestanden und zu ihrer Uroma gewackelt und hat dabei gelernt: „Ach, ich kann ja ganz alleine aufstehen und brauche gar keine Hilfe dabei.“ Natürlich geht das nur, wenn sich das betreffende Kind nicht ernsthaft weh getan hat. Trösten darf und sollte man selbstverständlich trotzdem noch.

Nur wer selbständig sein darf, wird zu einem selbständigen Menschen

Viel zu oft wird Kindern allerdings suggeriert, dass sie Hilfe brauchen, wenn dies gar nicht der Fall ist. Nur wer selbständig sein darf, kann zu einem selbständigen Menschen werden.

Viele Kinder ziehen sich in der Kita alleine an und aus, mehrmals am Tag, Schlafsachen, Sportsachen, Matsch- und Gartensachen. Sobald die Kinder allerdings ein Elternteil in der Nähe haben, sind diese Fähigkeiten plötzlich spurlos verschwunden. Da stellt sich doch die Frage, warum trauen Eltern ihren Kindern heutzutage so wenig zu?

Wir alle wollen, dass unsere Kinder im Leben gut klarkommen. Das gilt jetzt genauso wie später. Die Erziehung zur Selbständigkeit ist wichtig, natürlich müssen Eltern das richtige Maß finden. Zuviel Selbständigkeit überfordert Kinder, zu wenig davon verhindert, dass sie sich später im Leben gut zurechtfinden.

Wenn etwas nicht gleich auf Anhieb klappt, sollte man ein Kind nicht davor bewahren, es weiter zu versuchen. Es ist wichtig, dass es auch lernt, mit Misserfolgen umzugehen. Zeigen wir dabei, dass Gefühle wie Wut und Frust völlig okay und verständlich sind. So kann es lernen zu akzeptieren, dass nicht immer alles beim ersten Versuch funktioniert – und später einen neuen Anlauf wagen.

In kleinen Schritten zur Selbständigkeit

Selbständigkeit muss ein Kind in kleinen und altersgerechten Schritten lernen. Eltern sollten genau beobachten, was sie ihrem Kind zutrauen können. Und wichtig ist, was das Kind selbst kann, soll es auch selbst tun. Wenn den Kindern immer alles, was vielleicht ein bisschen schwierig ist oder länger dauert abgenommen wird, dann fühlen sie sich hilflos, falls mal gerade keiner in der Nähe ist, um sofort einzugreifen.

Ein zweijähriger kann durchaus sein runtergefallenes Spielzeug selbst aufheben, oder einen Stuhl zur Seite schieben, der im Weg steht, um mal zwei einfache Beispiele zu nennen. Viel zu oft springt ein Erwachsener auf, weil er meint, dem Kind „helfen“ zu müssen, dabei hilft man mehr, wenn man dem Kind hilft, es selbst zu tun. Man könnte sagen: „Oh, da passt du jetzt nicht mit dem Wagen vorbei. Vielleicht schiebst du den Stuhl einfach zur Seite?“ So lernt das Kind, dass es sich selbst helfen kann, wenn ein Problem auftritt.

Kinder brauchen die Freiheit, selbst Probleme zu lösen

Gerade Mütter haben damit häufig ein Riesenproblem, aber auch für die Väter ist es nicht leicht: Sie müssen akzeptieren, dass sie nicht immer von ihren Kindern gebraucht werden. Das beginnt bereits in der Kinderkrippe. Spätestens im Kindergarten wird den Kleinen auch selbständiges Handeln abverlangt. Für besorgte Eltern ist die Ablösung ihrer Kinder gleichbedeutend mit Gefahr. Sie haben Angst, dass etwas passieren könnte. Aber spätestens im Kindergarten, wo nicht jedes Kind rund um die Uhr beobachtet werden kann, brauchen Kinder das Wissen, was sie sich selbst zutrauen können, bzw. Problemlösestrategien. Was mache ich wenn… Diese Frage kann ein Kind nur beantworten, wenn es Möglichkeiten hatte, selbst Probleme zu lösen und ihm nicht immer alles abgenommen wurde.

Kinder auf ein selbstständiges und selbstbestimmtes Leben vorzubereiten sollte Ziel einer jeden Erziehung sein. Es braucht dafür viel Geduld seitens der Eltern (ein zweijähriger braucht deutlich länger, um sich die Schuhe anzuziehen als die Mama). Und es bedeutet, ständig Abschiednehmen zu müssen. Abschied vom Füttern, Anziehen, Nase putzen, Schleife binden usw. usw.

Sätze wie: „Soll ich das schnell für dich machen?“ oder „Komm, ich helfe dir, da geht es schneller!“ sollten die absolute Ausnahme sein und nur zur Anwendung kommen, wenn es wirklich mal eilig ist.

So wenig wie möglich und nur so viel wie nötig helfen

Dem Kind sollte so wenig wie möglich abgenommen werden. Hilfe ist natürlich erlaubt, aber so wenig wie möglich und nur so viel wie nötig. Und wenn mal jemand fragt, warum man dem Kind nicht hilft, gibt es die einfache Antwort: „Weil es das selbst kann!“ Uns Erwachsenen zieht auch niemand die Schuhe an, nur, weil derjenige es vielleicht schneller kann.

Kinder können nur so lernen, auf ihre eigenen Fähigkeiten zu vertrauen, statt sich hilflos zu fühlen. Es schafft Erfolgserlebnisse und dadurch Selbstvertrauen. Und irgendwann kommt der Tag, an dem das Kind vor Stolz platzt, weil es schneller fertig angezogen an der Tür steht als Mama oder Papa.

Die richtige Balance zwischen Beschützen und Loslassen zu finden, das ist die schwierige Aufgabe, um irgendwann selbständige junge Erwachsene ins Leben schicken zu können.

Nicole Senske, Dipl.-Sozialpädagogin in der Kita „Sonnenkäfer“ Niederbobritzsch

Quellen:

leben-und-erziehen.de

hallo-eltern.de

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