Als stille Beobachterin filmt Anke Schulz-Broschwitz alltägliche Situationen in der Kita und macht in der Auswertung wertvolle Interaktionen sichtbar.
„Ich sehe was, was du gleich siehst“ (Markus Bach)
In der Bauecke der Integrativen christlichen Kita „Riesenzwerge“ geht es betriebsam zu. Vier Kinder stecken eifrig Duplo-Steine ineinander, setzen Tiere darauf, kommentieren, was sie gerade tun, fahren mit Autos an den Bauwerken vorbei, geben sich gegenseitig Teile. Erzieherin Katja Köhler sitzt mittendrin, fragt nach, hört zu, macht mit. Das alles geschieht vor der Kamera.
Denn es ist noch eine zweite Pädagogin im Raum, die etwas abseits sitzt und die Situation mit ihrer kleinen Handkamera filmt. Die Kinder scheinen sie gar nicht zu bemerken, denn Anke Schulz-Broschwitz greift nicht ins Spiel ein, sondern ist nur eine stille Beobachterin. Dennoch ist das, was sie tut, unglaublich wertvoll – für die Kinder und für das Team der „Riesenzwerge“. Denn mit den gefilmten Sequenzen macht sie Dinge sichtbar, die für die Akteure selbst oft verborgen bleiben.
„Marte Meo“ heißt die Methode, nach der die Erziehungswissenschaftlerin und Kindheitspädagogin arbeitet – übersetzt „aus eigener Kraft“. Dafür werden Video-Aufzeichnungen von alltäglichen Situationen zur Verhaltensbeobachtung und zur Reflexion genutzt. In der Praxis sieht das so aus, dass Anke Schulz-Broschwitz mit ihrer Kamera Situationen im Kita-Alltag filmt und diese im Nachgang gemeinsam mit den pädagogischen Fachkräften anschaut und auswertet. Der Fokus ist dabei vor allem auf Interaktionen, die gut gelingen, und auf der Frage, welches Verhalten dafür besonders hilfreich ist.
„Ich suche Clips aus, wo ein Entwicklungsbedürfnis des Kindes sichtbar wird und eine gelingende Interaktion der pädagogischen Fachkraft, das Kind darin zu unterstützen“, erklärt Anke Schulz-Broschwitz. Wie ist der Blickkontakt? Wie äußert sich das Kind, wie reagiert die Pädagogin? Welche Rolle nimmt das Kind ein, welche die Pädagogin? Braucht das Kind viel Ermutigung? Um diese Fragen dreht sich die Auswertung, die etwa 30 bis 45 Minuten dauert und für die pädagogischen Fachkräfte oft Aha-Erlebnisse bringt.
„Wenn du selbst in der Situation drin bist, dann bemerkst du viele Dinge einfach nicht“, berichtet Katja Köhler von so einer Erfahrung. Sie hat sich in einer 1:1-Situation mit einem Kind filmen lassen und war beim Anschauen der Clips überrascht, wie viel Rückversicherung das Kind gebraucht hat und wie sehr es sich an ihrem Vorbild orientiert hat. „Ich hätte das ganz anders eingeschätzt“, erzählt sie, „und habe seitdem wirklich einen anderen Blick auf dieses Kind.“
Neue Perspektiven zu eröffnen, ausgetretene Pfade zu verlassen, an den Bedürfnissen der Kinder wirklich dran zu sein – das sind die Chancen, die die Video-Beobachtung nach Marte Meo eröffnen kann. Dafür braucht es viel Vertrauen und Offenheit, aber auch Zeit und Kompetenz. „Wir freuen uns, dass wir dies mit Anke Schulz-Broschwitz bei uns nun ausprobieren können“, sagt Kita-Leiterin Julia Kretschmar.
Anke Schulz-Broschwitz hat zeitweise eine spendenfinanzierte Projektstelle und ist zusätzlich zu dem engen Personalschlüssel in unseren Radebeuler Kitas im Einsatz, um Kindern Zeit zu schenken.