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Ilka Meffert

Was brauchen Kinder zum Spielen?

„Mama, Mama, wir brauchen einen Umhang mit Kapuze und eine Lederschnur und einen Beutel mit einer kleinen Flasche Milch!“ Ganz aufgeregt und voller Spielideen kommen die beiden Mädchen auf mich zu. Wo ist noch gleich die Zaubertruhe, denke ich, die alles enthält, was die beiden gerade brauchen. Sie sind fünf und sechs Jahre alt und gerade im schönsten Rollenspielalter.

Mal muss es eine schicke Frisur sein, mal ein Flitzbogen oder ein Korb, der wichtigste Spielrequisite ist. Zum Glück sind die beiden kompromissbereit und erfinderisch. Ein altes Bettlaken wird der Umhang mit Kapuze: es ist schnell zurechtgeschnitten, ein Loch für den Kopf, die Seiten vorerst mit Sicherheitsnadeln versehen. Statt der Lederschnur geben sie sich mit einem geflochtenen Paketstrick zufrieden. Mit der Milchflasche ist es schwieriger – und schließlich akzeptieren sie meine Hilflosigkeit. Und dann sind sie lange verschwunden, vertieft in ihr Spiel. Später sehe ich im Kinderzimmer viele Papierkügelchen auf ein Häufchen gelegt. „Das sind doch Blaubeeren, die wir gesammelt haben“, erklären mir die beiden.

Ich staune immer wieder, wie einfallsreich Kinder in ihren Spielen sind. Und ich merke immer wieder, wie wenig Kinder zum Spielen brauchen. Die Schublade mit den Töpfen und Plastedosen ist dreimal spannender als das Steckspiel. Nur wenn Mama oder Papa mitmachen, dann ist es anders.

Überlegen Sie doch mal: Was hat Ihnen denn als Kind am meisten Spaß gemacht beim Spielen? Und wo und womit haben Sie am liebsten gespielt?

Wie wichtig Spielen für Kinder ist, das ist heutzutage an vielen Stellen zu lesen. Spielen ist die wirksamste Weise des Erfahrungslernens. Und: Kinder entdecken spielend die Welt. Diese Sätze werden Sie vielleicht schon oft in der Kita Ihrer Kinder gehört haben. Sie spielen lernen, erforschen die Welt – alles gleichzeitig. Kinder trennen das nicht.

Haben Sie schon mal beobachtet, wie konzentriert und angestrengt Kinder dabei sind? Schauen Sie doch beim nächsten Mal genau hin, was Ihr Kleines da beim Ausräumen der Schublade alles macht. Oder beim Bau der Eisenbahn durchs Zimmer. Oder beim Spielen am Wasserhahn.

Kinder probieren spielerisch aus, wie die Welt funktioniert, in der sie leben. Kinder probieren, wie sie sich sozial verhalten, miteinander agieren – was haben sie beobachtet bei den Großen? Kinder entdecken im Spiel Naturphänomene: Wie sonst können Kleinkinder das Prinzip der Erdanziehung begreifen, wenn sie nicht immer wieder die Rassel aus dem Wagen fallen lassen und immer wieder Erwachsene finden, die sie aufheben? Und ob das auch mit dem Löffel am Tisch geht?

Je einfacher und alltäglicher das „Zeug“ ist, womit sie spielen können, umso mehr sind Kinder gefordert. Das Tuch kann Umhang, Decke, Vorhang, Tischtuch sein. Die Bausteine zu einem Turm, einem Zaun, einer Landschaft werden. Es ist auch spannend, Dinge neu zu erfinden. Ein alter Baustein, mit Filzstift markiert, wird zum Handy. Die Regeln für Mensch-ärgere-dich-nicht können immer mal wieder neu gestrickt werden.

Kinder erhalten heute oft Spielzeug, das wenig Alternativen zulässt. Manchmal ist es auch einfach zu viel. Kinder sind beeindruckende kreative Forscher. Aber sie brauchen auch Eltern, Erwachsene, die sich dafür interessieren, was sie tun und ein Stück mit ihnen auf Entdeckungsreise gehen. Haben Sie nicht auch mal Lust, in der Höhle im Kinderzimmer seltsame Tiere zu erkunden und ihnen neue exotische Namen zu geben? Kinder werden begeistert sein, wenn Sie mit ihnen spinnen. Lassen Sie dabei den Ideen der Kinder aber den Vorrang und bleiben Sie aufmerksam dafür, was das Kind tatsächlich interessiert und wann es Sie braucht. Dann wird Spielen ein vielseitiges Entdecken: der Welt, des Miteinanders, der Persönlichkeit Ihres Kindes. Viel Spaß!

Barbara Gärnter, Erziehungswissenschaftlerin und Fachbereichsleiterin / Fachberaterin Kindertagesstätten im Kinderarche Sachsen e.V.

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