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Grundbedürfnisse wie Hunger müssen nach Möglichkeit erfüllt werden, je jünger ein Kind, desto unmittelbarer. Anders verhält es sich mit Wünschen.

Bedürfnisse und Wünsche – müssen erfüllt werden!?

In unserem pädagogischen Handeln orientieren wir uns an den Bedürfnissen der Kinder. Nur was ist denn nun eigentlich ein Bedürfnis? Wie unterscheiden wir etwas, was jemand braucht, von dem, was er oder sie sich wünscht? Müssen immer alle Bedürfnisse erfüllt werden und ist dies in unserem kunterbunten, lebendigen Kita- und Familienalltag überhaupt möglich, geschweige denn wünschenswert?

Mit diesen – zugegebenermaßen - etwas provokanten Fragen möchten wir Sie zum Nachdenken über den so häufig geführten Bedürfnisbegriff anregen. Zunächst möchte ich näher definieren, wie wir den Begriff „Bedürfnis“ im pädagogischen Sinn gebrauchen. Eine Orientierung gibt uns hier der sächsische Bildungsplan, der ja unsere gesetzliche Arbeitsgrundlage ist. Er geht vom Begriff des Wohlbefindens aller in der Einrichtung aus. Damit ist eine Sensibilisierung der Erzieherinnen für die Bedürfnisse und Befindlichkeiten der Kinder, aber auch ihrer eigenen Bedürfnisse und Befindlichkeiten gemeint.

Grundbedürfnisse müssen erfüllt werden

Wohlbefinden wird immer subjektiv empfunden und es ermöglicht dem Kind, dass Bildungs- und Lernprozesse angestoßen werden können. Das heißt, wenn die Grundbedürfnisse wie emotionales Wohlbefinden, Sicherheit, Nähe, Liebe, Autonomie, die Freiheit, sich auszudrücken, Neugier, Zuneigung, Ruhe, ausreichende und gesunde Nahrung, Bewegung und genügend Schlaf nicht erfüllt sind, können Kinder sich nicht entfalten und für Lernsituationen öffnen (vergl. Sächs. Bildungsplan 2011, S.46). Oder einfach gesagt: Ein Kind, das sich nicht wohl fühlt, kann sich wenig oder gar nicht auf Lern- und Spielsituationen in der Kita einlassen. Deshalb ist es für uns selbstverständlich, die individuellen Bedürfnisse der Kinder in diesem Bereich zu kennen, zu tolerieren und respektvoll mit ihnen umzugehen.

Jedoch kann nicht allen Bedürfnissen zu jeder Zeit nachgegangen werden, denn wir haben ja pro Erzieherin oder in der Familie nicht ein Kind, sondern fast immer mehrere Kinder, die alle Bedürfnisse mitbringen. Und auch Sie als Eltern oder die Erzieher haben Bedürfnisse. Wie entscheiden wir nun? Gibt es wichtigere oder unwichtige Bedürfnisse? 

Prinzipiell gehen wir in unserem pädagogischen Ansatz davon aus, dass alle Bedürfnisse aller Kinder in der Einrichtung gleichwertig, also gleich wichtig sind. Nun können aber ja wie oben beschrieben nicht alle Bedürfnisse immer und sofort erfüllt werden. Je jünger ein Kind, desto unmittelbarer kümmern wir uns um die Bedürfnisse der uns anvertrauten Kinder. Wir fragen nach, beobachten, ziehen Schlüsse und schauen auch durch Ausprobieren, was dem Kind gerade guttut.

Selbstverständlich ist für uns dabei ein enger Austausch mit Ihnen als Eltern, die ihre Kinder am besten kennen und einschätzen können. Von Anfang an ist es unser Anliegen, die Kinder zu befähigen, selbst ihre Bedürfnisse äußern zu können und zu lernen, auf sich selbst zu achten: Was mag ich? Was tut mir gut? Wir ermutigen Kinder zu altersgemäßen Entscheidungen und beziehen sie in Entscheidungen, die sie unmittelbar betreffen, altersgemäß mit ein. So stärken wir auch im Bereich der Grundbedürfnisse die Selbsttätigkeit und Selbstwirksamkeit der Kinder, die sie stark machen für ihr weiteres Leben. 

Rituale helfen, Bedürfnisse in der Gemeinschaft zurückzustellen

Um in einer Gemeinschaft, die wir als Kita oder in der Familie sind, gut miteinander leben zu können, ist es aber auch unabdingbar, die eigenen Bedürfnisse zeitweilig zurückstellen zu können: Ich kann nicht immer erste sein, zuerst das Essen bekommen, zuerst die Aufmerksamkeit der Erzieherin bekommen. Hier kommt es nicht nur zwischen einzelnen Personen zu Interessenkonflikten, sondern auch die „organisatorischen Notwendigkeiten“ in der Kita und im Familienalltag erfordern einen zeitweiligen Bedürfnissaufschub, besonders, wenn wir gemeinsam Aktivitäten, wie Morgenkreise, Ausflüge, etc. durchführen wollen oder noch schnell etwas eingekauft oder gekocht werden muss. 

Das heißt, das Leben in unserer Kita, aber auch der Alltag zu Hause benötigen einige für alle geltende, gemeinschaftliche Regeln und Rituale, auf deren Einhaltung wir achten. So erlernen die Kinder die Grundlagen des sozialen Miteinanders nach und nach. Der familiäre Rahmen ist dafür ein hervorragender Übungsort. Dabei können sich diese Regeln und Rituale zwischen Kita und zu Hause durchaus unterscheiden. Sie als Eltern entscheiden: Was ist uns in der Erziehung besonders wichtig? Was möchte ich meinem Kind grundlegend mit auf den Weg geben und wozu möchte ich es befähigen?

Diese Regeln und Rituale sollten so gewählt werden, dass sie immer den Freiraum bieten, um auf individuelle Bedürfnisse sensibel reagieren zu können. Wir wägen ab, handeln aus und versuchen Kompromisse zu finden, damit wir „eine Balance zwischen individuellen, gruppenbezogenen und institutionellen Interessen finden, in der das Wohlbefinden der einzelnen Kinder als Leitorientierung dient“ (Sächsischer Bildungsplan 2011, S. 46).

Eltern müssen den Unterschied kennen zwischen Bedürfnis und Wunsch

Was aber unterscheidet nun ein Bedürfnis von einem Wunsch? Der dänische Familientherapeut und Autor Jesper Juul bringt es ganz treffend auf den Punkt: „Kleine Kinder können zunächst nicht unterscheiden zwischen dem, was sie brauchen und worauf sie Lust haben. Umso mehr müssen sich die Eltern dieses Unterschieds bewusst sein.“ (Jesper Juul „Nein aus Liebe- starke Eltern, starke Kinder“ 2006, S. 53)

Dasselbe gilt für uns als Pädagogen auch, wenn auch in anderen Dimensionen als zu Hause. Wir respektieren die Wünsche der Kinder, hören ihnen zu, verhandeln und überlegen uns Kompromisse, mit denen das betreffende Kind gut leben kann. Formulieren aber auch klar unseren Standpunkt, bei Wünschen, die nicht erfüllt werden können. Dazu noch einmal Jesper Juul: „Kinder können nicht verwöhnt werden, indem sie „zu viel“ von dem bekommen, was sie brauchen. Verwöhnte Kinder sind Kinder, die ein Nein nicht akzeptieren können; die damit rechnen, dass ihre unmittelbaren Wünsche jederzeit sofort erfüllt werden; die fordernd und anstrengend sind. Doch so entwickeln sich nur Kinder, die zu viel vom Verkehrten bekommen – und vor allem aus den falschen Gründen.“ (Jesper Juul „Nein aus Liebe- starke Eltern, starke Kinder“ 2006, S. 54)

Deshalb sagen wir: Bedürfnisse stehen im Vordergrund und müssen nach Möglichkeit erfüllt werden, je jünger ein Kind, desto unmittelbarer, jedoch nicht alle Wünsche.

Ulrike Körner, Integrative christliche Kindertagesstätte „Riesenzwerge“ Radebeul

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