
Wenn die 24-jährige Aziza Abdullahjan mit ihren Schützlingen einkaufen geht, muss sie oft abwertende Bemerkungen aushalten. In ihrem Team in der Kleinkindgruppe Crimmitschau erfährt die Erzieherin jedoch Unterstützung und Rückhalt.
Ich wünsche mir, dass die Menschen offener sind
Was macht Sie besonders / anders als andere?
Die Herkunft meiner Eltern, die aus Afghanistan kommen. Ich selbst bin in Deutschland geboren, aber trotzdem traditionell afghanisch aufgewachsen. Wir sind Paschtunen, sprechen zu Hause Paschtu als Muttersprache, kleiden uns traditionell, essen auf dem Boden. Als ich in die Kita kam, waren die ersten paar Monate für mich sehr schwierig, weil ich kein Deutsch konnte, aber ich habe mich schnell eingelebt und bin mit beiden Kulturen ganz selbstverständlich groß geworden. Ich habe allerdings bis heute Schwierigkeiten mit den zwei Sprachen: Jede Sprache hat Begriffe, die man in der anderen Sprache nicht ausdrücken kann.
Was ist gut daran, anders zu sein?
Ich versuche, jedem einzelnen Menschen gut und respektvoll zu begegnen. Selbst wenn mir jemand unsympathisch ist, akzeptiere ich ihn so, wie er ist, und versuche, mich in ihn hinein zu fühlen. Gut sind auch mein reicher Wortschatz und mein kultureller Hintergrund.
Was daran nervt Sie und ist belastend?
Ich trage Kopftuch und erlebe es täglich, wenn ich mit den Kindern unterwegs bin, dass ich erst mal angekuckt werde, keinen Respekt erfahre und oft böse Worte rüberkommen. Das reicht von „Kopftuch weg!“ über „Geh zurück in deine Heimat!“ bis hin zu „Warum haben Sie so viele Kinder zur Welt gebracht?!“ Anfangs hat mich das sehr belastet, inzwischen versuche ich, es zu ignorieren und Abstand zu nehmen. Es tut den Kindern nicht gut, wenn sie solche Auseinandersetzungen miterleben. Wenn ich ohne Kinder unterwegs bin, reagiere ich schon. Dann ist mein Gegenüber oft geschockt, dass ich tatsächlich Deutsch sprechen kann.
Mit welchen positiven Erlebnissen verbinden Sie Vielfalt?
Ich habe viele Praktika gemacht, überall mal reingeschnuppert und verschiedene Arten von Kindern kennengelernt. Mich macht es glücklich, wenn ich mit Kindern rede, die eingeschränkt sind, sich nicht so gut unterhalten können, nicht so akzeptiert sind. In meiner Freizeit engagiere ich mich für Jungs mit Migrationshintergrund, jeder bringt hier jedem was bei, das ist eine tolle Erfahrung. Bei den jungen Menschen beginnt es ja mit der Akzeptanz. Deshalb ist es so wichtig, dass sie schon frühzeitig Vielfalt und Verschiedenheit erleben.
Mit welchen Hindernissen, Schwierigkeiten sind oder waren Sie konfrontiert?
Es kommt schon immer mal vor, dass jemand sagt „Du blöde Ausländerin!“ Dann bin ich froh, dass ich in meinem Team und von meiner Leitung volle Unterstützung und Rückenstärkung erfahre. Im Ramadan habe ich den Kindern in der Kleinkindgruppe erklärt, dass ich nichts essen darf, wenn es hell ist. Das haben sie sich gut gemerkt und für mich dann auch den Tisch nicht mit gedeckt.
Was wünschen Sie sich, damit Vielfalt und Inklusion besser gelingt?
Ich wünsche mir, dass die Menschen offener sind und positiver auf Menschen mit Kopftuch zugehen. Mir ist wichtig, dass Inklusion von Anfang an stattfindet, dass Kinder nicht ausgegrenzt werden, sondern alle zusammen in einer Klasse lernen und nicht in extra umA-Klassen oder Schulen für Behinderte. Ich glaube, es muss bei den Kindern beginnen, dass jeder mit jedem in Berührung kommt – und deshalb keine Angst vor dem Fremden haben muss.
Ist Vielfalt eher eine Chance oder Anderssein eine Barriere?
Vielfalt ist eine Chance! Wenn viele Menschen und Kulturen aufeinandertreffen, ist das immer eine Bereicherung, weil Menschen und Kulturen sich ergänzen.