
Seit seinem ersten Lebensjahr besucht der dreieinhalbjährige Marlon die Integrative Kita „Blumenkinder“ in Oberbobritzsch. Weil er auf akustische und visuelle Reize nicht reagierte, wurde er mit Verdacht auf Hörprobleme behandelt – ohne Erfolg. Schließlich riet die Kita, die Ärztin auf Autismus hinzuweisen. Der Termin im Autismuszentrum steht noch aus, aktuell erhält Marlon eine 1:1 bis 1:2-Betreuung und ist in seiner Gruppe gut integriert. Ihn selbst können wir nicht fragen, wie es ihm geht, er scheint sich aber im Kindergarten wohlzufühlen.
Wenn Marlon sich wohl fühlt und laut lacht, ist das für uns eine tolle Motivation
Fragen an Marlons Mutter:
Seit mehr als zwei Jahren ist Marlon schon in unserer Einrichtung, wie haben Sie die Zeit erlebt?
Erstmal möchte ich sagen, dass wir uns in der Kita sehr wohl fühlen und gut aufgenommen wurden und Marlon auch den Wechsel von der Krippe in den Kindergarten gut geschafft hat. Es war eine sehr schöne Zeit bisher und ich bin froh, dass Frau Friese und Frau Franke Marlon so gut begleiten und ihn in die Gruppe integriert haben. Wir haben auch das Gefühl, dass er sich hier wohlfühlt.
Es war eine intensive Zeit für Sie als Familie, da Sie ja noch in der Abklärung des Autismus sind und einen längeren Weg bis hierhin zurückgelegt wurde. Möchten Sie das kurz schildern?
Da haben Sie recht. Zu Beginn gab es ja den Verdacht, dass Marlon nichts hören kann, und er wurde deshalb operiert. Nachdem dort keine Besserung eingetreten ist und Frau Franke uns geraten hat, bei der Kinderärztin nach Autismus zu fragen, haben wir dies umgehend gemacht. Hier sind wir auf erste Probleme gestoßen, da dies keinen Anklang fand. Es brauchte viele Telefonate mit der Ärztin, auch durch die Kita, ehe Autismus wirklich in den Fokus rückte. Danach haben wir eine Überweisung für einen Psychologen bekommen und dieser hat festgestellt, dass eine Autismus-Spektrum-Störung vorliegen könnte. Mit dieser Feststellung konnte die Kita endlich die Integration beantragen und wir haben uns um einen Termin beim Autismuszentrum bemüht.
Das Autismuszentrum hat aber auch nochmal lange Wartezeiten, richtig?
Da waren wir auch überrascht. Es hieß Ende 2024, dass wir für Ende 2025 einen Termin bekommen. Nun haben wir schon die Information erhalten, dass es wohl erst 2026 im Frühjahr wird. Wir erhalten ein viertel Jahr, bevor der Termin feststeht, einen Anruf mit Bestätigung. Es geht ja viel Zeit ins Land, bis wir eine vollständige Klärung haben.
Sie arbeiten ja beide in Schichtsystemen, das heißt Arzttermine und auch die Betreuung müssen Sie gut planen. Haben Sie da Unterstützung?
Wichtige Termine bekommen wir gut geregelt und wir haben privat Unterstützung durch Freunde und Bekannte, gerade, wenn man selber mal Wege zu erledigen hat.
Bei uns in der Kita liebt Marlon seinen Schaukelelefanten, um sich zu regulieren. Sie hatten mir vor einer Weile mal erzählt, dass Marlon das Schaukelfaultier zu Hause gar nicht nutzt. Hat er daheim etwas anderes?
Tatsächlich nutzt er sein Schaukeltier nun auch daheim sehr intensiv. Noch mehr favorisiert er aber die neuen Trampoline. Da haben wir eines im Garten aufgestellt und ein kleines, weicheres im Zimmer.
Sie haben ein Trampolin im Zimmer?
Ja, Marlon nutzt dies häufiger und es macht ihm sehr viel Spaß, sich darauf zu bewegen oder hinzulegen. Draußen im Garten spielen wir mit Marlon auf dem Trampolin.
Wir merken auch, dass Marlon diese Bewegungsabläufe sehr genießt und auch braucht.
Diesen Herbst wird Marlon vier Jahre alt. Was wünschen Sie sich denn für die nächsten drei/vier Jahre für Marlon im Kindergarten?
Wir wollen, dass er weiter seine Schritte geht und sich gut behütet bei Frau Friese und Frau Franke fühlt. Ich finde es auch gut, dass wir so gut im Austausch sind. Ich wünsche mir da weiterhin diesen Kontakt. Zudem hoffen wir, dass wir dann durch das Autismuszentrum einen klaren Weg haben.
Wollen Sie noch was sagen?
Danke, dass Marlon hier so angenommen wird, wie er ist. Das hilft uns als Eltern sehr. Wir sind froh, diese Kita hier zu haben.
Fragen an die Erzieherinnen Frau Friese / Frau Franke:
Was begeistert euch an der Arbeit mit Marlon?
Aufgrund seiner Einschränkung ist es für uns ein neues und interessantes Arbeitsfeld, weil wir unser Wissen ständig erweitern und gemeinsam mit Marlon Schritt für Schritt lernen.
Wie erlebt ihr Marlon innerhalb der Gruppe?
Marlon macht im Kita-Alltag sein eigenes Ding. Er lebt in seiner eigenen Welt, wird aber nach seinen Möglichkeiten mit eingebunden. So wird er im Morgenkreis dazu genommen, er ist auch beim Ausflug auf den Bauernhof dabei gewesen. Dort haben wir zum Beispiel einen Kinderwagen als Unterstützung genommen.
Die Kinder akzeptieren Marlon so, wie er ist, zeigen Empathie und helfen ihm gern im Alltag, sei es beim Weg ins Bad oder in die Garderobe und beim Tragen des Rucksacks. Es ist schön zu sehen, wie Kinder noch ganz ohne Berührungsängste oder Vorurteile auf andere Menschen zugehen können.
Marlon gibt uns immer direkte Rückmeldung, wie es ihm geht. Besonders wenn er laut lacht in Situationen, wo er sich wohlfühlt, ist dies auch für uns eine tolle Motivation, unsere gemeinsamen Anstrengungen weiterzuführen.
Was bedeutet die Arbeit persönlich für euch?
Wir dürfen ein Kind mit einer eigenen Entwicklung begleiten und freuen uns für seine Erfolge mit, seien sie auch noch so klein. Nach Ostern zum Beispiel hat er sich zum ersten Mal auf das Klettergerüst hochgetraut.
Es ist natürlich auch herausfordernd. Marlon wird größer, schwerer und benötigt Pflege und dies erschwert unsere Arbeit. Zum Beispiel, wenn er auf die Wickelkommode muss oder bei Müdigkeit die Treppe hochgetragen werden muss. Wir bemerken auch eine höhere Frustrationstoleranz, da Marlon sich uns nicht sprachlich mitteilen kann und wir auf kleine Verhaltensänderungen oder nonverbale Signale achten müssen, um ihn zu deuten.
Zeitgleich zeigt er Tendenzen zum selbstverletzenden Verhalten, wodurch wir im Alltag sehr sensibel auf verändernde Umstände achten müssen, da er geregelte Abläufe benötigt.
Wir sind dankbar, Marlon ein Stück begleiten zu dürfen auf seinem Bildungsweg.
Was würde die Situation für alle Beteiligten verbessern im Alltag?
Eine kleinere Gruppe wäre wünschenswert, um den Fokus besser zu setzen. Eine durchgehende 1:1-Betreuung würde wirklich helfen, da wir gemerkt haben, dass er im Einzelsetting wesentlich mehr lernen kann als im Gruppengeschehen, wo sich die Aufmerksamkeit der Pädagogen auf alle Kinder aufteilt. Durch die individuelle Begleitung können die SMARTen Ziele des Förderplanes besser erreicht werden. Es benötigt auch ein breiteres Weiterbildungsspektrum für die Kitas.
Was wollt ihr noch sagen?
Marlon ist ein liebenswertes Kind, welches unsere Gruppe bereichert!