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Seit dem 18. Lebensjahr identifiziert Maura Lamprecht sich nicht als Frau oder Mann, sondern als nicht-binär. Mit dem Outing verlor der/die 22-Jährige auch Freunde, aber gewann ein besonderes Auge für Menschen, die anders sind.

Mein Wunsch: Dass alle Lust auf Vielfalt haben

Was macht Sie besonders / anders als andere?

Ich bin nicht-binär, besser bekannt als „divers“, aber dieses Wort mag ich nicht, weil es komisch als Bezeichnung für einen Menschen klingt. Auf dem Spektrum Mann-Frau bin ich irgendwo dazwischen. Ich musste erst 17 / 18 Jahre alt werden, ehe es „Klick“ gemacht hat. Schon vorher habe ich gespürt, dass ich irgendwie anders bin, aber da kannte ich das Wort und das Konzept der Geschlechtsidentität noch nicht. Ich habe mich unwohl gefühlt, bin immer an Grenzen gestoßen, aber ich wusste nicht, warum. Hätte ich es eher gewusst, wäre mir viel Leid erspart geblieben. Natürlich war auch der folgende Weg schwer. Ich habe einige Freunde verloren, aber die vielen positiven Reaktionen haben mich bestärkt.

Was ist gut daran, anders zu sein?

Man versteht andere Menschen besser, hat ein anderes Verständnis vom Körperbewusstsein und macht Räume auf für Menschen, die anders sind. Das ist gerade in der Kinder- und Jugendhilfe wichtig, dass Kinder sehen: Cool, dass du so anders bist, dann darf auch ich selbst anders sein. Vor den Kindern in der Kleinkindgruppe, in der ich seit einem Jahr arbeite, hatte ich das einfachste und liebevollste Outing überhaupt. Für sie gibt es noch kein Richtig oder Falsch, sie sind einfach neugierig und empathisch und haben als erstes gefragt: „Wie fühlt sich das denn für dich an?“

Was daran nervt Sie und ist belastend?

Dass man nicht mitgedacht wird. Nicht-binäre Menschen finden nicht statt: nicht in der Sprache, nicht im Alltag. Eine gendergerechte Sprache wäre schön, weil man dann vorkommt und sich gesehen fühlt. Allerdings kann ich gar nicht sauer darüber sein, weil ich selbst bis 18 ja auch in einer binären Welt aufgewachsen bin und nicht gegendert habe. Und na klar werde ich auch beschimpft. Viele denken, trans ist gleich links, nennen mich dann „Zecke“. Hass und Hetze gegen queere Menschen machen mir schon zu schaffen. Ich muss immer abschätzen, ob es sicher oder nicht sicher ist, wo ich mich bewege. Ich bin aber schon mutiger geworden und gehe öffentlicher damit um, denn mir ist es wichtig, dass Menschen sehen, dass es uns gibt und dass wir keine Monster sind bzw. keine bösen Motive haben.

Mit welchen positiven Erlebnissen verbinden Sie Vielfalt?

Die Kinder in unserer Wohngruppe gehen super damit um. Wenn ich zu Besuch bei den Eltern bin und diese mich als Frau Lamprecht begrüßen, sagen die Kinder: „Maura ist ein Mädchenjunge und keine Frau.“ Das sind meine kleinen Superhelden, die für mich voranpreschen. Für sie ist es ganz normal.

Positiv ist auch, dass mein Anderssein mich auf besondere Weise mit anderen verbindet. Man hat ein besonderes Auge für Menschen, die vielfältig sind. Es ist so schön, für Vielfalt zu stehen, ohne wäre es langweilig. Und ich schaffe einen Vertrauensvorschuss, indem ich mich öffne. Davon profitiere ich in meiner Arbeit sehr.

Mit welchen Hindernissen, Schwierigkeiten sind oder waren Sie konfrontiert?

Die medizinische Versorgung ist ein Problem. Als nichtbinärer Mensch muss man reich sein, um sich eine Transition leisten zu können. Zum Teil gelten Operationen als „Schönheitseingriff“, so dass es keine Kranktage gibt und die Kosten nicht von den Krankenkassen übernommen werden. Das betrifft mich aktuell noch nicht, aber ich finde es trotzdem schwierig. Und auch die Entwicklung in Europa und der Welt macht mir Angst. Hass und Hetze gegen Queere nehmen zu, darunter leide ich sehr.

Welche Unterstützung haben Sie in Ihrem Team / in Ihrer Einrichtung?

Als ich mich auf die Stelle in der Kleinkindgruppe beworben habe und mich vor dem Einrichtungsleiter und der Stellvertreterin geoutet haben, standen die zu 100 Prozent hinter mir. Das war mir so viel wert, das konnten sie wahrscheinlich gar nicht verstehen. Es ist ein großes Glück, dass in meinem Team alle sehr offen sind und mich einfach so nehmen, wie ich bin.

Was wünschen Sie sich, damit Vielfalt und Inklusion besser gelingt?

Mein Wunsch wäre, dass alle Lust auf Vielfalt haben! Eigentlich könnte das so einfach sein: Es müsste nur jeder interessiert am anderen sein und fragen, was man braucht, damit es einem gut geht. Ich möchte gern einfach mitgedacht und nach meinen Bedürfnissen gefragt werden. Das ist doch, was sich hinter dem großen Wort der Nächstenliebe eigentlich verbirgt, oder?

Ist Vielfalt eher eine Chance oder Anderssein eine Barriere?

Das bedingt sich ja einander, aber in erste Linie ist Vielfalt eine Chance! Ich finde es schön, wenn Menschen besonders sind. Es wäre doch extrem schade, wenn wir alle gleich wären!


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