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Ali lebt mit seiner Mutter Rand und seinem Bruder in Deutschland. Seine Familie stammt aus dem Irak. Er ist schwer herzkrank und musste sich zusammen mit seiner Familie ein Leben in Deutschland erkämpfen. Heute sind er und seine Mutter froh, in Deutschland zu sein.

Wir schätzen Alis offene, freundliche und zugewandte Art

Rand kam 2016 mit ihrer Familie aus dem Irak nach Deutschland, weil ihr Mann an einer Universität in Sachsen promovieren wollte. Ihr erster Sohn Ahmed war schon im Irak geboren.

Die Familie erwartete erneut Nachwuchs, doch schon in der Schwangerschaft wurde entdeckt, dass das Kind nicht gesund war. Deswegen wurde Ali 2017 im Herzzentrum der Universitätsklinik in Leipzig geboren. Er leidet unter dem Digeorge-Syndrom. Drei Monate musste Ali zunächst stationär in Leipzig und Chemnitz behandelt werden. Rand konnte nach der Kaiserschnittgeburt in den ersten Wochen nicht selbst bei ihrem Kind sein. Alis Vater musste zunächst täglich in die Klinik fahren. Zum Glück war es Rands Mutter möglich, in dieser schweren Zeit nach Deutschland kommen, um die Familie zu unterstützen.

Alis Behandlung zog viele Termine bei Ärzten und Therapeuten nach sich, bis sich sein Zustand stabilisiert hatte. Rand nahm daher drei Jahre Elternzeit, um dies zu koordinieren und dem Vater die Fortsetzung der Promotion zu ermöglichen. So konnte Rand zunächst auch nicht Deutsch lernen. Trotzdem erlebte sie die Ärzt*innen und das medizinische Personal als sehr hilfsbereit. Obwohl ihr Mann sich zunächst nur in Englisch verständigte und sie weder Englisch noch Deutsch beherrschte, stellte dies kein Problem dar. Den Ärzt*innen war Englisch geläufig und Rand verständigte sich mit den Schwestern mit Händen und Füßen. Sie sagt: „Ich glaube, dieser Beruf ist menschlich.“

Ab 2020 konnte Rhida unsere Kindertagesstätte besuchen. 2021 begann Ruqaya einen Deutschkurs. Doch 2022 musste ihr Ehemann nach Abschluss der Promotion wieder in den Irak. Rand blieb als alleinerziehende Mutter auf sich gestellt zurück. Doch sie biss sich durch, stemmte ihren vollen Alltag, lernte weiter Deutsch, machte eine Umschulung und arbeitet aktuell an einer Hochschule als Kauffrau für Büromanagement. Ihr im Irak abgeschlossenes Studium zur Übersetzerin Arabisch-Türkisch nützt ihr in Deutschland nichts.

Ihr Anderssein hat Rand in Deutschland nicht als Barriere erlebt in Schulen, Behörden, medizin. Einrichtungen. In ihrer Stadt sind sie mittlerweile angekommen und bekannt. Da sie seit drei Jahren alleinerziehend ist, ist sie nun selbständig in Kontakt mit allen Menschen, Behörden etc. und erlebt sich als integriert in die Gemeinschaft. Auch in der Kita hat sie nie Ablehnung oder Abwertung erlebt wegen ihrer Herkunft und ihren zunächst mangelnden Sprachkenntnissen.

Fremdenfeindlichkeit begegnet ihr nur punktuell im Kontakt mit fremden Menschen. Gelegentlich wird sie auf das Kopftuch angesprochen. Sie kann nun deutsch antworten und sagen, dass sie frei entscheiden dürfe, ob sie eins trägt, eben weil in Deutschland Freiheit herrscht. Sie hat allerdings auch erlebt, dass eine Person sie aufgefordert habe, nach Hause zu gehen. Sie kritisiert das Schubladendenken, das ihr vereinzelt begegnet wie „alle Ausländer sind Flüchtlinge“, oder schlimmer noch „alle Muslime sind Terroristen“. Dabei gibt es viele berechtigte und sinnvolle Gründe, warum Ausländer*innen in Deutschland sind und arbeiten möchten. Sie weiß natürlich, dass es auch einige Ausländer*innen gibt, die Probleme machen, was das Bild über Ausländer*innen trübt.

Jetzt sieht sie ihr Anderssein sogar als Chance: Im internationalen Büro der Hochschule ist ihre Sprachkenntnis von Vorteil, auch das Aussehen und die religiösen Symbole zeigen Vielfalt und Offenheit der Hochschule. Andere Studierende aus anderen Ländern schätzen das.

Rand zeichnet sich durch ihr Kopftuch, ihre Herkunft und Sprachkompetenz, jedoch auch durch ihre Fertigkeiten beim Kochen und Backen aus. Doch was sie besonders macht, darauf hat sie eine klare Antwort: „Ich bin eine starke Frau! Ich habe Deutsch gelernt, eine neue Ausbildung gemacht und Arbeit gefunden. Ich schaffe das alles als alleinerziehende Mutter von zwei Kindern, von denen eins sehr krank ist.“ Doch sie ist ehrlich mit sich selbst: Es kostet sie auch viel Kraft. Sie hat keine Zeit für sich. Sie kann noch nicht einmal zum Zahnarzt gehen für sich allein. Manchmal hat sie auch keine Zeit, mit ihren Kindern Spaß zu machen und Ausflüge zu organisieren. Die Wochenenden braucht sie, um den Haushalt zu machen und zur Ruhe zu kommen.

Ali fühlt sich wohl in der Kita. Er spielt sehr gern mit seinen Freunden Fußball im Garten oder bastelt Bügelperlenbilder, am liebsten mit Glitzerperlen. Es gebe nichts, was er nicht mitmachen könne und nichts, worüber er sich hier ärgern müsse. „Er ist zufrieden,“ sagt seine Mutter lächelnd. Im Sommer kommt er in die Schule. Er freut sich auf die Zuckertüte und könne schon seinen Namen schreiben und sich melden.

Ali hat eine enge Beziehung zu seinem Vater und vermisst ihn sehr, fragt jeden Tag nach ihm, besonders an Feiertagen. Er sehnt sich nach den im Irak lebenden Familienmitgliedern und nach der Familiengemeinschaft. Doch Ali, sein Bruder und seine Mutter bleiben in Deutschland. Rand schätzt ein, dass die medizinische Versorgung und Unterstützung in Deutschland viel besser sei als im Irak. Auch die Bildungsmöglichkeiten in Deutschland seien vergleichsweise besser geeignet für ihre Kinder. Ali hat durch seine Krankheit verzögert Sprechen gelernt, nicht nur Deutsch sondern auch Arabisch. Aber durch alle Hilfe und Förderung ist Rand nun zufrieden mit seiner Entwicklung und seinen Sprachkenntnissen. Er spricht mittlerweile besser Deutsch als Arabisch. Ali benötigt jedoch nach wie vor neben dem Kitabesuch Frühförderung, Logopädie, Ergotherapie und Physiotherapie. Er hat auch regelmäßig Termine im Sozialpädiatrischen Zentrum, im Herzzentrum oder beim Kinderarzt. Rand ist froh, dass zumindest einige der Therapietermine vormittags in der Kita stattfinden können.

Die pädagogischen Fachkräfte begeistert an Ali und seiner Familie der sich bietende Einblick in seine Kultur: „Wir schätzen Alis „Sonnenschein“-Gemüt, seine offene, freundliche und zugewandte Art.“ Die anderen Kinder lernen durch ihn und seine Familie, ihren muslimischen Glauben, ihre besonderen Speisen und Gepflogenheiten den Umgang mit Vielfalt kennen. Auch sein Krankheitsbild wird von seiner Bezugserzieherin eher als Lernfeld erlebt. Trotz der guten medizinischen Versorgungslage für Ali in Deutschland spüren die Mitarbeitenden der Kita Grenzen in der individuellen Betreuungsmöglichkeit und Förderung für ihn. Dies liegt vor allem am engen Kita-Personalschlüssel in Sachsen und an der Verwehrung eines Integrationsplatzes für Ali in der Kita, da eine gleichzeitige Finanzierung von Frühförderung im privaten Umfeld und Integrationsplatz mit mehr Personaleinsatz in der Kita trotz seiner Krankheit in seinem Fall nicht möglich.

* Alle Namen wurden geändert.


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