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Es verletzt Kinder, wenn Eltern sie von oben herab behandeln. Die Diskriminierung aufgrund des Machtgefälles zwischen Erwachsenen und Kindern wird „adultistisch“ genannt.

„Weil ich es sage!“ Adultismus als Form der Diskriminierung

Wer kennt nicht den Satz, den Erwachsene leidenschaftlich gern und deshalb allzu oft an junge Menschen richten: „Jetzt beginnt der Ernst des Lebens.“ Immer wenn ein neuer Lebensabschnitt beginnt, „wird es ernst“. Der Eintritt in die Kita, der Übergang in die Schule, Ausbildung und letztendlich der Eintritt ins Berufsleben. Es wird der Anschein vermittelt, je älter man wird, umso wichtiger und ernst zu nehmender wird das Leben. Als wäre das Leben als Kind im Vergleich zu dem des Erwachsenen unwichtig.

Junge Menschen sind auf die Fürsorge und Unterstützung ihrer Bezugspersonen angewiesen. Hinterfragen oder fragen sie etwas, geschieht es nicht selten, dass darauf mit Sätzen wie „Dafür bist Du noch zu jung!“ oder „Das ist nichts für Kinder!“ geantwortet wird. Sie erleben immer wieder, dass Erwachsene über ihr Leben bestimmen und ihre Interessen, Bedürfnisse und Empfindungen nicht einbeziehen oder abwerten. Somit erfahren junge Menschen, dass ihre Stimme nicht ernst genommen wird und ihre Ansichten keine oder weniger Bedeutung haben, als die der Erwachsenen.

Diese Diskriminierung aufgrund des Machtgefälles zwischen Erwachsenen und Kindern wird „adultistisch“ (adult = erwachsen) genannt und kann fordernd, bewertend und verurteilend sein. Wenn Erwachsene einem Kind ungefragt über die Haare streicheln, es berühren oder umarmen, obwohl es dies offensichtlich nicht möchte, ist dies übergriffig und eine Form von Adultismus. Derartige Grenzüberschreitungen werden regelmäßig, nicht nur in pädagogischen Einrichtungen, auch in Familien praktiziert und zumeist unreflektiert hingenommen.

Sprache und Adultismus

Am Offensichtlichsten tritt Adultismus im sprachlichen Bereich auf. Sätze wie: „Du benimmst Dich wie ein kleines Kind.“ „Das ist nichts für Kinder“ oder „Hast Du keine Ohren?“ haben wir sicher schon gehört oder vielleicht selbst schon unüberlegt ausgesprochen. Wörter können bestenfalls ermutigen, anerkennend sein und jemand bestärken. Genauso können sie aber auch verletzen, beschämen und herabwürdigen. Kinder erfahren dabei, dass ihre Stimmen nicht ernst genommen werden und ihre Ansichten keine oder weniger Bedeutung haben als die der Erwachsenen.

Besser wäre es, sich im Dialog mit Kindern in ihre Perspektive hineinzuversetzen. „Vielleicht hilft es auch, einfach einmal für eine gewisse Zeit bei jedem Anliegen und jeder Regel, die wir einem Kind gegenüber formulieren, kurz innehalten, um zu reflektieren, wie wir dasselbe zu einer Kollegin oder einem Kollegen sagen.“ (Ali-Tani, Caroline 2019)

Auswirkungen von Adultismus

Auch die Auswirkungen von Adultismus sind vielfältig. Aussagen von Kindern wie „Ich werde eh nicht ernst genommen.“, „Ich sage lieber nicht, was ich denke.“ Oder „Was bringt das?“ beschreiben, dass sie sich selbst nicht ernst nehmen, resignieren oder in ihrem Verhalten passiv werden. Sie trauen sich seltener zu, ihre Meinung ehrlich und offen zu äußern. Andere werden eher aggressiv, launisch und rebellieren. Das Selbstvertrauen der Kinder wird so verletzt, dass sie sich weniger zutrauen und es kaum noch wagen, Fehler zu machen. Schließlich bewirkt adultistisches Verhalten, dass Kinder ihren Gerechtigkeitssinn verleugnen und akzeptieren, dass Machtausübung legitim ist.

Was brauchen Kinder?

Kinder wollen zur Partizipation (Beteiligung) eingeladen werden (nicht ohne Grund ist dies auch in der UN Kinderrechtskonvention verankert). Sie wollen über sich und ihre Angelegenheiten selbst bestimmen dürfen. So können sie zum Beispiel in der Raumgestaltung, bei Neuanschaffungen und in die Tagesgestaltung einbezogen werden.

Kinder haben ein Recht darauf, dass ihnen mit derselben Wertschätzung, Achtung und demselben Respekt begegnet wird, wie man es sich als Erwachsener selbst auch wünscht. Grundsätzlich sollten die Erwachsenen deshalb eine wertschätzende, dialogische und demokratische Grundhaltung leben und Kinder als kompetente Wesen ansehen, die sich ihre Welt selbsthandelnd aneignen.

Vorbild statt blinde Autorität

Es braucht viel Reflexion der eigenen Haltung und Position, um die Abhängigkeit junger Menschen von ihren Bezugspersonen nicht auszunutzen. Erwachsene haben mehr Macht, und so bleibt die Beziehung zwischen Kindern und Erwachsenen eine ungleiche. Kinder sind auf Erwachsene angewiesen und Erwachsene sind für Kinder verantwortlich. Statt dies in unbegründeten autoritären Ansagen auszuleben, sollte Erwachsenen vielmehr bewusst sein, dass sie Kindern als Vorbilder dienen und insbesondere ihre impliziten Botschaften aufmerksam und sensibel von ihnen wahrgenommen werden.

Kinder empfinden es als besonders achtsam und wertschätzend, wenn Erwachsene Fehler eingestehen. Drücken Sie Ihr Bedauern aus, wenn Ihnen eine unbedachte Kränkung unterlaufen ist. Fragen Sie Ihr Kind, welches Verhalten es sich gewünscht hätte. Wenn sich Ihr Verhalten an den Vorschlägen von Kindern orientiert, entsteht eine neue Beziehungsqualität.

Regeln und Grenzen gemeinsam aushandeln

Handeln Sie Regeln und Grenzen gemeinsam mit Ihrem Kind aus und halten sich auch selbst daran. Regeln und Verhaltensvorstellungen sollten so kommuniziert werden, dass sie einen Sinn ergeben und nicht durch Machtungleichgewicht legitimiert werden („Weil ich es so sage“). Kinder sollten nachvollziehen können, warum diese oder jene Entscheidung getroffen wurde.

Dies alles bedeutet nicht Beliebigkeit, Regellosigkeit, Durcheinander oder Planlosigkeit. Es meint vielmehr, einen Alltag zu gestalten, der viel Selbstbestimmung ermöglicht. Es ist bedeutsam, Kinder in ihrer Entwicklung und mit ihren Bedürfnissen ernst zu nehmen, sie aktiv an der Gestaltung ihrer Lebenswelt teilhaben zu lassen und nicht zu bevormunden.

Wenn die Kinder erleben und erkennen dürfen, dass sie für das, was sie sind und tun, respektiert und wertgeschätzt werden, wird sich auch die Art und Weise, wie sie selbst auf ihrem weiteren Lebensweg mit anderen Menschen umgehen, verändern und in eine Richtung entwickeln, welche von Respekt, Wertschätzung und Achtsamkeit geprägt ist.

Katrin Leschak, Einrichtungsleiterin Kinderhaus „Sterntaler“ Crimmitschau

Literatur

Wagner, Petra (2008): Handbuch Kinderwelten Vielfalt als Chance- Grundlagen einer vorurteilsbewussten Bildung und Erziehung. 1. Auflage Freiburg im Breisgau: Verlag Herder GmbH

Stamer-Brandt, Petra (2012): Partizipation von Kindern in der Kindertagesstätte- Praktische Tipps zur Umsetzung im Alltag. 1. Auflage Köln, Kronach: Wolter Kluwer Deutschland GmbH

Ali-Tani, Caroline 01-02/2019 Fachzeitschrift „Betrifft KINDER“ „Wie sprichst Du mit mir?“ S. 21-25

Fachzeitschrift „Betrifft KINDER“ 07-08/2019 „Ich muss doch was sagen“ S. 29-32

https://www.kita-Fachtexte.de/fileadmin/Redaktion/Publikationen/KiTaFT_richter_2013.pdf

https://amyna.de/amyna-medien/dokumente/prog/Kind-sein_ist_kein_Kinderspiel.pdf

https://www.verlag-modernes-lernen.de/shop/pdf/1288/leseprobe2/1288.pdf

https://situationsansatz.de/wp-content/uploads/2012/08/Zusatztext_Andreas.pdf

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